Neues aus der Praxis
§ 10 Abs. 4 S. 2 UVPG ist mit Unionsrecht nicht vereinbar
Kürzlich ist ein Beschluss des EuGH vom 28.02.2023 veröffentlicht worden, der erhebliche Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren und ggf. auch noch anhängige Klageverfahren für gewerblich, also ohne eigene Futtergrundlage betriebene Tierhaltungsanlagen haben wird. Auf eine Vorlage des VG Minden zu den Kumulationsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 4 UVPG stellte der EuGH zu dem im deutschen Recht aus § 10 Abs. 4 S. 2 UVPG folgenden Erfordernis der Verbindung mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtung zur Herstellung eines die Kumulation (mit) bergründenden engen Zusammenhangs technischer und sonstiger Anlagen fest, dass dieses unionsrechtswidrig ist. In den Randnummern 31-34 heißt es hierzu wie folgt:
„Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich bei der Überprüfung, ob ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, die einer nationalen Behörde nach diesen Vorschriften obliegende Verpflichtung, die Auswirkungen zu prüfen, die das Projekt zusammen mit anderen haben könnte, mangels einer Präzisierung nicht allein auf gleichartige Projekte beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2015, Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C?531/13, EU:C:2015:79, Rn. 45).
Erst recht kann diese Verpflichtung nicht allein auf Projekte beschränkt werden, die mit gemeinsamen Einrichtungen verbunden sind. Daher kann, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Frage, ob mehrere Projekte zusammen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, nicht von einer Verbindung dieser Projekte mit solchen Einrichtungen abhängen.
Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 in Verbindung mit Anhang III Nr. 1 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. g dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Verpflichtung, die Auswirkungen zu prüfen, die ein Projekt gemeinsam mit anderen Projekten haben könnte, auf Fälle beschränkt ist, in denen die geplante Anlage und die anderen Projekte mit gemeinsamen Einrichtungen verbunden sind.“
[Hervorhebung nicht im Original.]
Im Ergebnis kommt diese Entscheidung nicht überraschend und ist vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Normzwecks folgerichtig (vgl. hierzu: Arnold, in: Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Auflage (2023), § 10 Rn. 30 ff.), wenngleich das BVerwG zur Vorgängernorm des § 3b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UVPG a.F. feststellte, dass das seinerzeit gleichlautende Erfordernis unionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Für laufende und kommende Genehmigungsverfahren sowie ggf. auch für noch anhängige Klageverfahren wird dieser Beschluss genau auszuwerten und insbesondere die jeweilige Konstellation daraufhin abzuprüfen sein, ob eine Verneinung des Vorliegens der Kumulationsvoraussetzungen durch eine Trennung der Anlagen dergestalt erreicht wurde, dass das Entstehen gemeinsamer betrieblicher oder baulicher Einrichtungen ausgeschlossen wurde (bspw. durch ein Wegziehen des Bauherrn von der elterlichen Hofstelle, um die verbindende Wirkung eines gemeinsam genutzten Betriebsleiterwohnhauses zu umgehen), wohingegen die weiteren Voraussetzungen (überschneidende Umwelteinwirkungen und funktional-wirtschaftliche Bezogenheit der Projekte aufeinander) vorlagen.
Bei Rückfragen wenden Sie sich an: Dr. Martin Arnold
§ 13b BauGB ist mit Unionsrecht nicht vereinbar
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18. Juli 2023 entschieden, dass Freiflächen außerhalb des Regelungsbereichs einer Gemeinde nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b S. 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden dürfen.
Die Entscheidung bezieht sich auf ein Normenkontrollverfahren einer gemäß § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigung gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein ca. 3 ha großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar, seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Zur Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Pressemitteilung aus, der Plan leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Er sei zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL). Der nationale Gesetzgeber habe sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese müsse nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen seien. Der Gesetzgeber dürfe sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.
Diesem eindeutigen und strengen Maßstab werde § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollten, erlaube § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – seien nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gelte schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.
§ 13b BauGB dürfe daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin habe somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel habe die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 59/2023 vom 18. Juli 2023).
Für die Praxis ergeben sich aus dem Urteil vermutlich folgende Konsequenzen:
Laufende Verfahren nach § 13b BauGB müssen entweder eingestellt oder auf ein normales Verfahren mit Umweltbericht und Eingriffsausgleich umgestellt werden. Für Letzteres wird eine erneute Offenlage erforderlich sein.
In der Vergangenheit beschlossene Bebauungspläne nach § 13b BauGB dürften unwirksam sein. Für bereits bebaute Plangebiete führt dies in der Regel zur Anwendbarkeit von § 34 BauGB. Für die Bauvorhaben gelten dann nicht mehr die Festsetzungen des bisherigen Bebauungsplans. Möglicherweise können die bisherigen Festsetzungen durch einen neuen Bebauungsplan, dann beschlossen im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB und gestützt auf § 13a BauGB, ohne erneute Offenlage erneut in Kraft gesetzt werden, sofern dieser Bebauungsplan zu einer weiteren Innenentwicklung beiträgt, ansonsten durch einen Bebauungsplan im normalen Verfahren und mit Umweltbericht und Eingriffsausgleich.
Sind Gebäude im Plangebiet im Genehmigungsfreistellungsverfahren bereits fertiggestellt worden, werden sie in Bezug auf die später festgestellte Nichtigkeit des Bebauungsplans durch landesrechtliche Vorschriften geschützt (z. B. § 63 Abs. 7 BauO NRW, § 62 Abs. 11 S. 2 NBauO). Baumaßnahmen für Gebäude, die noch nicht fertiggestellt sind, sind dagegen formell und unter Umständen auch materiell illegal. Sie können – und müssen möglicherweise auch – von der Bauaufsicht unterbunden werden.
Sind Gebäude im Plangebiet dagegen durch eine Baugenehmigung zugelassen, so setzt sich in der Regel die Bestandskraft der Baugenehmigung durch. Die Baugenehmigung erweist sich im Nachhinein zwar objektiv als rechtswidrig, eine Rücknahme steht aber im Ermessen der Bauaufsicht. Angesichts der auszugleichenden Vermögensschäden bei Rücknahme der Baugenehmigung nach § 48 VwVfG wird das Ermessen in den meisten Fällen nicht auf Null reduziert sein, die Genehmigung zurückzunehmen.
Arbeiten der Gemeinde oder eines Vorhabenträgers zur Erschließung des Plangebiets dürfen vermutlich nicht mehr durchgeführt werden. Restarbeiten dürften auf der Grundlage von § 125 Abs. 2 BauGB möglich sein.
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Olaf Bischopink oder Frau Elisabeth Willems.
Welche Optionen Senec-Kunden bei eingeschränkter Speicherkapazität haben
Interview: Nach einem neuerlichen Zwischenfall sind die viele Photovoltaik-Heimspeicher derzeit im „Konditionierungsbetrieb“ und nur maximal 70 Prozent der Kapazität steht den Kunden zur Verfügung. Viele Betreiber fragen sich und uns, ob sie dies so hinnehmen müssen und was sie tun können. Für Rechtsanwalt Andreas Kleefisch von der Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist es ein klarer Mangel. In den meisten Fällen greift damit die Gewährleistung, die Endkunden gegenüber den Fachpartnern von Senec geltend machen können. Aber auch die Installationsbetriebe haben Möglichkeiten, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben, sondern sie an Senec weiterzureichen, wie der Anwalt erklärt.
Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
Sandra Enkhardt, PV-Magazine 17.04.2023
Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zur Reform des Baugesetzbuchs
In der Initiativstellungnahme 9/2023 hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) durch seinen Gesetzgebungsausschuss Verwaltungsrecht Vorschläge zur Reform des Baugesetzbuchs unterbreitet. Die Stellungnahme enthält Vorschläge für Änderungen und Ergänzungen des BauGB sowie der BauNVO mit dem Ziel dort Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, wo sich bestehende Unsicherheiten bei der Anwendung des Bauplanungsrechts als Investitionshemmnisse erweisen. So wird vorgeschlagen den Festsetzungskatalog des § 9 BauGB zu erweitern, um dort eine Rechtsgrundlage für die Kontingentierung von Lärmemissionen in Gewerbe- und Industriegebieten zu schaffen. Durch einen neuen § 9 Abs. 2e BauGB soll den Kommunen die Möglichkeit eröffnet werden durch Festsetzungen im Bebauungsplan von den Immissionsrichtwerte der TA Lärm abzuweichen, sofern gesunde Wohn- und Lebensverhältnisse gewahrt bleiben. Der DAV schlägt zudem vor, § 9 Abs. 2d BauGB neu zu regeln, da sich die Vorschrift nicht eignet das angestrebte Ziel, nämlich den Erlass einfacher Bebauungspläne zur Wohnraumversorgung, zu verwirklichen, was insbesondere auf inhaltlicher Unbestimmtheit beruht.
Die DAV-Initiativstellungnahme 9/2003 finden Sie hier.
Dr. Georg Hünnekens war als Mitglied des DAV-Ausschusses Verwaltungsrecht und Berichterstatter an der Initiativstellungnahme beteiligt. Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Dr. Georg Hünnekens.
Pressemitteilung
Teilerfolg der Stadt Bottrop im Streit um Decathlon-Markt in Oberhausen
In einem Normenkontrollverfahren hat heute das Oberverwaltungsgericht den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 27 - Brammenring - der Stadt Oberhausen auf Antrag der Stadt Bottrop für unwirksam erklärt. Mit dem angegriffenen Bebauungsplan sollte die planungsrechtliche Grundlage für die von der Beigeladenen beabsichtigte Errichtung eines Decathlon-Sportfachmarkts auf einem Grundstück in der Nähe des Einkaufszentrums CentrO geschaffen werden. Die Klage der Stadt Bottrop gegen den der Beigeladenen erteilten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid der Stadt Oberhausen für einen Sportfachmarkt hat das Oberverwaltungsgericht demgegenüber im Berufungsverfahren abgewiesen. Damit hat es die von der Beigeladenen angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf geändert, das der Klage stattgegeben hatte.
Zur Begründung der Urteile führte der Vorsitzende des 10. Senats aus: Der Bebauungsplan ist unwirksam. Er ist nicht an die Ziele der Raumordnung angepasst. Bei dem Decathlon-Sportfachmarkt, für dessen Ansiedlung der Bebauungsplan die planungsrechtliche Grundlage in Form eines Sondergebiets schaffen soll, handelt es sich um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit zentrenrelevanten Kernsortimenten. Nach dem Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen dürfen Sondergebiete für solche Vorhaben nur in bestehenden zentralen Versorgungsbereichen sowie in neu geplanten zentralen Versorgungsbereichen in städtebaulich integrierten Lagen geplant werden. Das Sondergebiet wird hier in eine in dem Einzelhandelskonzept der Stadt Oberhausen so bezeichnete Entwicklungsfläche des "Hauptzentrums Neue Mitte Oberhausen" hineingeplant, in der insbesondere das CentrO angesiedelt ist. Die damit beabsichtigte Erweiterung des "Hauptzentrums Neue Mitte Oberhausen" kommt der Neuplanung eines zentralen Versorgungsbereichs gleich. Die Voraussetzungen für einen solchen liegen hier nicht vor, denn es fehlt an einer städtebaulich integrierten Lage, wie sie der Landesentwicklungsplan für neu geplante zentrale Versorgungsbereich verlangt. Für die Entwicklungsfläche, in die das Sondergebiet hineingeplant wird, sind die Erwägungen, die seinerzeit die Entstehung und die Entwicklung des "Hauptzentrums Neue Mitte Oberhausen" möglich gemacht hatten, heute angesichts der Entwicklung des Einzelhandels, des Niedergangs vieler Innenstädte und geänderter rechtlicher Vorgaben nicht mehr gleichermaßen tragfähig.
Die Klage der Stadt Bottrop gegen den der Beigeladenen erteilten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für einen Sportfachmarkt mit einer Gesamtverkaufsfläche von 4.500 qm ist unbegründet. Aus der Unwirksamkeit des Bebauungsplans kann die Klägerin insoweit nichts zu ihren Gunsten herleiten. Ein bauplanungsrechtliches Abwehrrecht kann sich für sie nur daraus ergeben, dass von Vorhaben, die - wie hier - im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden sollen, keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Standortgemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. Der Vorbescheid bestimmt, dass nur ein Sportfachmarkt bauplanungsrechtlich zulässig ist, dessen Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente maximal 800 qm beträgt. Aus der vorliegenden Auswirkungsanalyse mit einer Prognose der zu erwartenden Umsatzverteilungen ergibt sich, dass im Fall der Ansiedlung des geplanten Decathlon-Sportfachmarkts schädliche Auswirkungen zu Lasten der Bottroper Innenstadt und des Bottroper Nebenzentrums Boy nicht zu erwarten sind. Dies gilt auch unter Berücksichtigung etwaiger durch das CentrO bereits hervorgerufener nachteiliger Auswirkungen auf diese zentralen Versorgungsbereiche der Stadt Bottrop.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision jeweils nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen
10 D 26/20.NE
10 A 1136/22 (I. Instanz: VG Düsseldorf 25 K 6111/19)
(Es handelt sich um eine Pressemitteilung des OVG NRW)
Baumeister Rechtsanwälte waren die Prozessbevollmächtigten der Stadt Bottrop.
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Bischopink.
Pressemitteilung
Normenkontrollantrag der Stadt Delmenhorst gegen einen Bebauungsplan der Gemeinde Stuhr zur Errichtung
eines Sportfachmarktes sowie Klage gegen die diesbezügliche Baugenehmigung erfolgreich
LÜNEBURG. Der 1. Senat hat mit Urteilen vom 9. Februar 2023 den Bebauungsplan Nr. 23/220 „Brinkum-Nord Sportfachmarkt“ der Gemeinde Stuhr für unwirksam erklärt (Az.: 1 KN 63/20) und die der beigeladenen Grundstücksgesellschaft auf der Grundlage des Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung aufgehoben (Az.: 1 LC 83/22, Vorinstanz VG Hannover, Az.: 4 A 3897/20).
In dem Normenkontrollverfahren wendet sich die Stadt Delmenhorst gegen einen Bebauungsplan der Gemeinde Stuhr für ein ca. 17.000 m² großes Gebiet am Einzelhandelsstandort „Brinkum Nord“. Der Bebauungsplan setzt ein Sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Sportfachmarkt“ fest. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die auf der Grundlage des Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines großflächigen Sportfachmarktes, gegen die sich die vom Verwaltungsgericht Hannover abgewiesene Klage der Stadt Delmenhorst richtet.
Die Stadt Delmenhorst sieht das Gebot, Bebauungspläne zwischen benachbarten Gemeinden abzustimmen, verletzt und befürchtet durch den Sportfachmarkt insbesondere nachteilige Auswirkungen auf ihre Innenstadt sowie auf die ihr durch Ziele der Raumordnung zugewiesene Funktion als Mittelzentrum
mit oberzentraler Teilfunktion im Bereich des Einzelhandels. Ihre bereits geschwächte Innenstadt könne weitere Konkurrenz durch Einzelhandelsstandorte außerhalb der Zentren nicht mehr verkraften. Daneben rügt sie zahlreiche weitere Mängel des Bebauungsplans. Da der Bebauungsplan unwirksam sei, sei auch die auf seiner Grundlage erteilte Baugenehmigung aufzuheben.
Der Senat ist dieser Argumentation in wesentlichen Punkten gefolgt. Die Stadt Delmenhorst könne sich auf das zwischengemeindliche Abstimmungsgebot berufen und sei daher berechtigt, den Bebauungsplan und die Baugenehmigung zur gerichtlichen Prüfung zu stellen. Der Bebauungsplan sei unwirksam, weil er an einem formalen Fehler leide. Zudem missachte er die Vorgabe des Landesraumordnungsprogramms, zentrenrelevante Sortimente - dazu zählten jedenfalls Sportbekleidung und -schuhe - nur in den Zentren und nicht an außerhalb gelegenen Standorten anzusiedeln. Ein Recht zur eigenständigen Bestimmung, was in der jeweiligen Gemeinde zentrenrelevant sei, komme der Gemeinde Stuhr nur in engen, hier überschrittenen rechtlichen Grenzen zu. Weitere die Stadt Delmenhorst schützende baurechtliche Bestimmungen verletze der Bebauungsplan dagegen nicht; insbesondere seien die Auswirkungen des Vorhabens auf die Innenstadt Delmenhorsts nicht so schwerwiegend, dass der Bebauungsplan deshalb fehlerhaft sei. Die Baugenehmigung sei aufzuheben, weil sie auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhe und das Vorhaben auf der Grundlage des zuvor geltenden Bebauungsplans nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Die Verletzung des insofern bestehenden Planungserfordernisses reiche aus, um einen Aufhebungsanspruch der Stadt Delmenhorst zu begründen.
Im gegen den Bebauungsplan gerichteten Normenkontrollverfahren hat der Senat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Im Berufungsverfahren, das die Baugenehmigung betrifft, hat der Senat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen.
Die Entscheidungen werden in dem kostenfrei zugänglichen Niedersächsischen Vorschriftensystem (https://voris.wolterskluwer-online.de) veröffentlicht werden.
(Es handelt sich um eine Pressemitteilung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts)
Baumeister Rechtsanwälte waren die Prozessbevollmächtigten der Stadt Delmenhorst.
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Bischopink.
„Beckmann/Kment (Hrsg.), UVPG / UmwRG“ in 6. Auflage (2023) erschienen
Das von Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Beckmann und Univ.-Prof. Dr. Martin Kment herausgegebene Standardwerk zum UVPG und UmwRG ist in der 6. Auflage erschienen (Carl Heymanns Verlag, Köln). Autoren sind u.a. die Baumeister-Rechtsanwälte Dr. Martin M. Arnold, Dr. Joachim Hagmann und Dr. Georg Hünnekens.
Zwei-Quadratmeter-Grenze für bauaufsichtliche Zulassung von Solarmodulen scheint willkürlich
Rechtsanwalt Andreas Kleefisch
Interview von Sandra Enkhard, PV-Magazine November 2022
Benötigen Solarmodule ab zwei Quadratmetern Fläche eine bauaufsichtliche Zulassung, um sie in Photovoltaik-Dachanlagen zu montieren? Und falls ja, müsste das nicht auch für kleinere Module gelten? Das ist nicht eindeutig geklärt, meint der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Andreas Kleefisch. Im pv magazine-Interview gibt er Auskunft über die rechtliche Lage und plädiert für die Vereinfachung der Regelungen.
Veröffentlichung
Die „erfolgreiche" Aufstockungsklage des Architekten - Grund für einen Staatshaftungsanspruch des Auftraggebers gegen die Bundesrepublik Deutschland?
Rechtsanwalt Andreas Kleefisch und Rechtsreferendarin Judit Estifanos
NJOZ 2022, 609
Unter der Geltung aller Vorgängernormierungen der HOAI 2021 stand für Architekten und Ingenieure unverbrüchlich fest: Die HOAI stellt innerhalb ihrer Anwendungsgrenzen, also für bestimmte Planungsgegenstände und innerhalb der Tafelwerte der anrechenbaren Baukosten, verbindliches Preisrecht dar. Unterschreitungen dieser Mindestsätze waren zwar durchaus gebräuchlich. Sie wurden üblicherweise durch „Nachlässe auf die HOAI", die Vereinbarung fester und dabei zu niedriger anrechenbarerer Baukosten, die Vereinbarung einer zu niedrigen Honorarzone oder das Ignorieren der Einbeziehung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz bei Umbauten verwirklicht. Jedenfalls aber wussten viele Architekten und Ingenieure: Sie konnten sich an solche Abreden halten, mussten es aber nicht. Oft folgte nach einem Streit über Qualität seiner Arbeit oder die Abrechnung des vereinbarten Honorars die sog. „Aufstockung". Der Architekt rechnete (zum ersten Mal) auf Basis der Mindestsätze der HOAI ab und forderte dann oft ein erheblich höheres als das vereinbarte Honorar. Das Schicksal dieser
Aufstockungsansprüche oder -klagen war in den vergangenen Jahren aufgrund der in diesem Aufsatz besprochenen Rechtsprechung des EuGH Dauerthema der Rechtsprechung und Literatur. Dabei wurde im Wesentlichen der Anspruch des Architekten/Ingenieurs betrachtet. Dieser Aufsatz betrachtet im Gegensatz dazu die möglichen Ansprüche des Bestellers.
Die Rüge der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans durch dessen Nutznießer - ein Verstoß gegen Treu und Glauben?
Prof. Dr. Olaf Bischopink / Karina Weil
Die Rüge der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans durch dessen Nutznießer - ein Verstoß gegen Treu und Glauben?, BauR 2022, 579-588