Neues aus der Praxis


26.06.2025 - Umweltrecht

BAUMEISTER Rechtsanwälte gewinnen für Unternehmen der Oberflächentechnik Musterverfahren zur REACH-Verordnung

Die Kanzlei BAUMEISTER Rechtsanwälte führt in einer konzertierten Aktion in fünf Bundesländern verwaltungsgerichtliche Klageverfahren, die auf die gerichtliche Feststellung gerichtet sind, dass der Einsatz von Chromtrioxid in der Oberflächentechnik ein Zwischenprodukt im Sinne des Art. 3 Nr. 15 REACH-VO darstellt. Diese Einstufung ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für die Branche, weil damit eine sehr zeit- und kostenträchtige Autorisierung gemäß Art. 55 ff. REACH-VO entfällt. Chromtrioxid unterliegt als Zwischenprodukt lediglich der einfacheren Registrierungspflicht gemäß Art. 17 ff. REACH-VO. Im Auftrag von fünf Unternehmen der Oberflächentechnik hat die Kanzlei bei den Verwaltungsgerichten Hannover, Düsseldorf, Darmstadt, Sigmaringen und Augsburg Feststellungsklagen gemäß § 43 VwGO eingereicht. In dem in Baden-Württemberg geführten Verfahren hatte nach einem zunächst klageabweisenden Urteil des VG Sigmaringen (Urteil vom 09.03.2023 – 9 K 1452/21 -) die dagegen gerichtete Berufung des von BAUMEISTER Rechtsanwälte vertretenen Unternehmens Erfolg.

 

Das inzwischen rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 09.04.2025 – 10 S 1332/23 - ist damit die erste obergerichtliche Entscheidung in dieser Rechtsfrage. Der Verwaltungsgerichtshof hat entgegen der Vorinstanz die Zulässigkeit der Feststellungsklage und darüber hinaus auch ihre Begründetheit bejaht. Er hat antragsgemäß festgestellt, dass die Klägerin Chromtrioxid als Elektrolyt zur elektrochemischen Abscheidung von Chrom mit dem Ziel der Verchromung von Werkstoffen in ihrem Produktionsprozess verwenden darf, ohne dass eine Zulassungspflicht nach Art. 55 ff. REACH-VO besteht.

 

In den ausführlichen Urteilsgründen hat das Gericht zunächst dargelegt, dass

  • der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegenstehe, weil auch der Vollzug der REACH-Verordnung durch die Behörden der Mitgliedstaaten erfolge und dieser Vollzug ohne Bindung an eine bestimmte Zulassungspraxis der Europäischen Kommission der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliege,
  • aufgrund der unmittelbar relevanten Frage des Bestehens oder Nichtbestehens der Autorisierungspflicht für Chromtrioxid auch ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der für sie zuständigen chemikalienrechtlichen Vollzugsbehörde bestehe, welches zwischen den Beteiligten streitig sei,
  • die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse habe, weil ihre unternehmerischen Dispositionen unter der Annahme der Zulassungsfreiheit von Chromtrioxid erheblichen Risiken ausgesetzt seien,
  • keine vorrangigen anderweitigen Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der Europäischen Kommission, der Europäischen Chemikalienagentur oder der zuständigen nationalen Vollzugsbehörde bestünden und
  • die Klägerin auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung habe, weil in dem Registrierungsverfahren gemäß Art. 17 ff. REACH-VO keine verbindliche Klärung der Frage der Zwischenprodukteigenschaft von Chromtrioxid erfolge.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fortsetzung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25.10.2017 – C- 650/15 – „Acrylamid-Urteil“) und des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 04.02.2020 – 8 A 10966/19 -) sodann in der Sache festgestellt, dass der Einsatz von Chromtrioxid in dem Betrieb der Klägerin, d. h. im Bereich der Oberflächentechnik, ein (transportiertes isoliertes) Zwischenprodukt im Sinne des Art. 3 Nr. 15 REACH-VO darstelle. Die in der Legaldefinition der Verordnung genannten Voraussetzungen, welche durch den EuGH in der oben genannten Entscheidung bereits abschließend interpretiert worden seien, seien erfüllt. Der Zweck der Verwendung von Chromtrioxid bei der Galvanisierung bestehe darin, den Stoff in metallisches Chrom umzuwandeln. Dies erfolge in einem als Synthese im Sinne des Art. 3 Nr. 15 REACH-VO zu bezeichnenden elektrochemischen Verfahren. Die Verwendung von Chromtrioxid bleibe dabei auf eine kontrollierte Umgebung beschränkt.

 

Ausdrücklich tritt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Berufungsurteil der davon abweichenden Interpretation im „Leitfaden zu Zwischenprodukten“ der Europäischen Chemikalienagentur (Januar 2023) entgegen. Diese stehe im Widerspruch zu dem Urteil des EuGH vom 25.10.2017, soweit in dem Leitfaden die Definition des Begriffs „Zwischenprodukt“ durch das beabsichtigte Ergebnis, d. h. die Stoffherstellung, beschränkt werde und damit andere Verwendungen eines Stoffs - etwa, um eine Mischung zu erlangen oder ein Erzeugnis zu produzieren oder zu behandeln - selbst dann nicht als Verwendung als Zwischenprodukt angesehen werden könnten, wenn der Stoff im Zuge der Verwendung in einen anderen Stoff umgewandelt werden.

 

Das Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg dürfte weitreichende Folgen haben, nicht nur für die Vollzugspraxis Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an Herrn Dr. Hünnekens.

01.04.2025 - News auf der Startseite (Neues aus der Praxis)

Veröffentlichung

Planen und Bauen in Hochwassergebieten

Die letzten Hochwasserkatastrophen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben die Dringlichkeit des vorbeugenden Hochwasserschutzes wieder deutlich in Erinnerung gerufen und damit auch die Frage, ob und wie in Hochwassergebieten geplant und gebaut werden darf. Der Beitrag erläutert das geltende Regelungssystem im Raumordnungs-, Bau- und Wasserrecht, die dazu inzwischen ergangene Rechtsprechung und wirft zudem einen Blick auf anstehende Änderungen der Rechtslage auf der Grundlage eines Referentenentwurfs der (alten) Bundesregierung für ein Hochwasserschutzgesetz III.

Dr. Georg Hünnekens in Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg 2025, S. 133 – 140

01.04.2025 - Veröffentlichungen

Planen und Bauen in Hochwassergebieten

Dr. Georg Hünnekens

Die letzten Hochwasserkatastrophen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben die Dringlichkeit des vorbeugenden Hochwasserschutzes wieder deutlich in Erinnerung gerufen und damit auch die Frage, ob und wie in Hochwassergebieten geplant und gebaut werden darf. Der Beitrag erläutert das geltende Regelungssystem im Raumordnungs-, Bau- und Wasserrecht, die dazu inzwischen ergangene Rechtsprechung und wirft zudem einen Blick auf anstehende Änderungen der Rechtslage auf der Grundlage eines Referentenentwurfs der (alten) Bundesregierung für ein Hochwasserschutzgesetz III.

 

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg 2025, S. 133 – 140

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16.08.2024 - Veröffentlichungen

Andreas Kleefisch und Markus Reckin

Bei Solarmodulen handelt es sich bis heute um ein nicht geregeltes Bauprodukt

Vor Gericht wird in vielen Fällen darüber gestritten, ob die Solarmodule richtig und rechtskonform in Photovoltaik-Anlagen eingebaut sind. Dabei werden oftmals Begrifflichkeiten vermengt, die gar nicht auf den konkreten Fall anwendbar sind. Andreas Kleefisch und Markus Recklin von der Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte aus Münster versuchen, den Nebel im Dickicht der verschiedenen deutschen und EU-weiten Vorschriften zu lichten.

PV Magazine 16.08.2024

 

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05.08.2024 - News auf der Startseite (Neues aus der Praxis)

Veröffentlichung

Scheitert die Energiewende an den deutschen Landesbauordnungen?

Andreas Kleefisch und Markus Reckin:

NJOZ 2024, Seite 929 (Neue Juristische Online-Zeitschrift, Verlag CH Beck)

In diesem Artikel in der NJOZ aus August 2024 setzen sich die Autoren mit den Rechtsfragen zur Notwendigkeit von technischen und betrieblichen Zulassungen von Photovoltaikmodulen nach dem Recht der europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland auseinander. Der durch das EEG in Deutschland ausgelöste Boom der Photovoltaik ist mittlerweile über 20 Jahre alt. Die Zubauzahlen steigen kontinuierlich, sowohl bei Großanlagen in der Freifläche und auf großen (Flach-) Dächern als auch bei vielen kleineren Anlagen auf den privaten – meist Steil-) Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Mehrfamilienhäusern. Durch die schiere Vielzahl der Werkverträge, oft ausbleibende Planung und Qualitätskontrolle sowie einen eklatanten Fachkräftemangel steigt auch die Anzahl der bau- und werkvertraglichen Auseinandersetzungen. Seit der Bundesgerichtshof in seinem sog. „Tennishallenurteil“[1] die Planung, Lieferung und Montage von Aufdachanlagen klar und unmissverständlich dem Regime des Werkvertragsrecht zugewiesen hat, werden die Rechtsstreitigkeiten immer häufiger von den Baukammern der Instanzgerichte behandelt. Diese wiederum schalten die ihnen aus anderen Fällen bekannten (Bau-) Sachverständigen bei der Klärung von Mängeln ein.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird immer häufiger die Frage gestellt, ob die verarbeiteten Komponenten (Module, Unterkonstruktion, Dach-Befestigungshaken, Klammern, Kabel, Stecker, Wechselrichter, Ladeinfrastruktur etc.) so, wie sie „verarbeitet wurden“ den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen bzw. jeweils einzeln oder in Kombination miteinander „zugelassen“ sind, über Bauartzulassungen verfügen oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) haben müssen. Bei einem Blick in die einschlägigen Normen fällt auf, dass diese Rechtsfrage – und eine solche ist es – für (technische) Sachverständige nur schwerlich zu beantworten ist, leider aber in der Praxis von Seiten der Gerichte nur wenig Hilfestellung gegeben wird. Betrachtet man zusätzlich, dass die Entwicklung in diesem Bereich der Energiegewinnung rasant ist, die Normungskörperschaften aber kaum mitkommen, ist zu konstatieren, das oft am Rande des technisch Zulässigen operiert wird. So sind z.B. aus Kostengründen die Module in den letzten Jahren immer größer geworden und die „2-Quadratmeter-Grenze“ (Erläuterung unten) wurde überschritten. Unter anderem dieser Punkt bedarf einer technischen und rechtlichen Betrachtung, der auf andere geregelte und ungeregelte Bereiche des Umgangs mit Komponenten, die fest in oder an ein Bauwerk angebracht / eingebunden werden und daher als Baustoffe zu klassifizieren sind zu übertragen ist. Dass das DIBt nun die „Modulgröße auf 3 Quadratmeter erhöhen will[2] ist folgerichtig, bedarf aber ebenfalls einer rechtlichen Betrachtung.

[1] BGH, Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13 -, NJW 2016, 2876

05.08.2024 - Veröffentlichungen

Scheitert die Energiewende an den deutschen Landesbauordnungen?

Andreas Kleefisch und Markus Reckin

NJOZ 2024, Seite 929 (Neue Juristische Online-Zeitschrift, Verlag CH Beck)

In diesem Artikel in der NJOZ aus August 2024 setzen sich die Autoren mit den Rechtsfragen zur Notwendigkeit von technischen und betrieblichen Zulassungen von Photovoltaikmodulen nach dem Recht der europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland auseinander. Der durch das EEG in Deutschland ausgelöste Boom der Photovoltaik ist mittlerweile über 20 Jahre alt. Die Zubauzahlen steigen kontinuierlich, sowohl bei Großanlagen in der Freifläche und auf großen (Flach-) Dächern als auch bei vielen kleineren Anlagen auf den privaten – meist Steil-) Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Mehrfamilienhäusern. Durch die schiere Vielzahl der Werkverträge, oft ausbleibende Planung und Qualitätskontrolle sowie einen eklatanten Fachkräftemangel steigt auch die Anzahl der bau- und werkvertraglichen Auseinandersetzungen. Seit der Bundesgerichtshof in seinem sog. „Tennishallenurteil“[1] die Planung, Lieferung und Montage von Aufdachanlagen klar und unmissverständlich dem Regime des Werkvertragsrecht zugewiesen hat, werden die Rechtsstreitigkeiten immer häufiger von den Baukammern der Instanzgerichte behandelt. Diese wiederum schalten die ihnen aus anderen Fällen bekannten (Bau-) Sachverständigen bei der Klärung von Mängeln ein.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird immer häufiger die Frage gestellt, ob die verarbeiteten Komponenten (Module, Unterkonstruktion, Dach-Befestigungshaken, Klammern, Kabel, Stecker, Wechselrichter, Ladeinfrastruktur etc.) so, wie sie „verarbeitet wurden“ den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen bzw. jeweils einzeln oder in Kombination miteinander „zugelassen“ sind, über Bauartzulassungen verfügen oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) haben müssen. Bei einem Blick in die einschlägigen Normen fällt auf, dass diese Rechtsfrage – und eine solche ist es – für (technische) Sachverständige nur schwerlich zu beantworten ist, leider aber in der Praxis von Seiten der Gerichte nur wenig Hilfestellung gegeben wird. Betrachtet man zusätzlich, dass die Entwicklung in diesem Bereich der Energiegewinnung rasant ist, die Normungskörperschaften aber kaum mitkommen, ist zu konstatieren, das oft am Rande des technisch Zulässigen operiert wird. So sind z.B. aus Kostengründen die Module in den letzten Jahren immer größer geworden und die „2-Quadratmeter-Grenze“ (Erläuterung unten) wurde überschritten. Unter anderem dieser Punkt bedarf einer technischen und rechtlichen Betrachtung, der auf andere geregelte und ungeregelte Bereiche des Umgangs mit Komponenten, die fest in oder an ein Bauwerk angebracht / eingebunden werden und daher als Baustoffe zu klassifizieren sind zu übertragen ist. Dass das DIBt nun die „Modulgröße auf 3 Quadratmeter erhöhen will[2] ist folgerichtig, bedarf aber ebenfalls einer rechtlichen Betrachtung.

[1] BGH, Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13 -, NJW 2016, 2876

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07.12.2023 - Öffentliches Baurecht

Pressemitteilung

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren zum Kraftwerk Datteln 4

Mit Urteil vom 07.12.2023 hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 26.08.2021 (– 10 D 40/15.NE, 10 D 43/15.NE, 10 D 106/14.NE - ) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen (BVerwG - 4 CN 4.22, 4 CN 5.22, 4 CN 6.22 -). Der streitgegenständliche Bebauungsplan bildet die Grundlage für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 des Betreibers Uniper, das eine elektrische Nettoleistung von 1.250 MWel aufweist und zudem bis zu 380 MWth Fernwärme produziert. Das Kraftwerk ist seit 2020 am Netz.

Das OVG Münster hatte den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a – Kraftwerk – der Stadt Datteln für unwirksam erklärt, da die ihm zugrunde liegende 7. Änderung des Regionalplans für den Regierungsbezirk Münster – Teilabschnitt Emscher-Lippe – wegen einer fehlerhaften Standortalternativenprüfung gem. Nr. 2 d) der Anlage 1 zu § 9 ROG 2008 abwägungsfehlerhaft sei und dieser Fehler auf die bauleitplanerische Abwägung gem. § 1 Abs. 7 BauGB der Stadt Datteln „durchschlage“. Auf die vom BVerwG zugelassene Revision der Stadt Datteln und der Uniper Kraftwerke GmbH hat das BVerwG die o.g. Entscheidung getroffen. Ausweislich der vorliegenden Pressemitteilung hat der 4. Senat des BVerwG sein Urteil insbesondere auf folgende Erwägungen gestützt: Das OVG habe zu Unrecht angenommen, dass der Suchraum für alternative Standorte auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbandes Ruhr als Träger der Regionalplanung erstreckt werden müsse und die Suchkriterien so bestimmt werden müssten, dass anstelle eines Steinkohlekraftwerks auch ausschließlich ein Gaskraftwerk realisiert werden könnte. Damit bestätigt das Gericht die zentralen Argumente der Revisionsführer. Im Rahmen der Fortsetzung des Normenkontrollverfahrens wird nunmehr der Bebauungsplan selbst zu prüfen sein, mit dem sich das OVG bislang nicht inhaltlich befasst hatte.

Die Stadt Datteln wurde/wird im Bauleitplanverfahren, im Normenkontroll- und im Revisionsverfahren von der Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte vertreten.

Weitere Informationen zu dem Verfahren finden Sie auch unter: Streit um Datteln 4 geht mit Baumeister und Kapellmann weiter | juve.de

Ansprechpartner: Dr. Hünnekens

19.10.2023 - Veröffentlichungen

Veröffentlichung

Erfolgreiche Unterlassungsklage gegen Prosumer-Stromtarif „ViShare“ von Viessmann

Viessmann wird irreführende Werbung für Prosumer-Tarif „Vishare“ final gerichtlich untersagt

Die Verbraucherzentrale NRW klagte gegen den Konzern, da dieser damit warb, dass Verbraucher gemeinsam Strom erzeugen und verbrauchen und sich damit unabhängig von Energieversorgern und steigenden Strompreisen machen zu können. Das Urteil aus dem Oktober 2021 ist nun rechtskräftig.

Sandra Enkhardt, PV-Magazine am 19.10.2023

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13.09.2023 - Allgemein

§ 10 Abs. 4 S. 2 UVPG ist mit Unionsrecht nicht vereinbar

Kürzlich ist ein Beschluss des EuGH vom 28.02.2023 veröffentlicht worden, der erhebliche Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren und ggf. auch noch anhängige Klageverfahren für gewerblich, also ohne eigene Futtergrundlage betriebene Tierhaltungsanlagen haben wird. Auf eine Vorlage des VG Minden zu den Kumulationsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 4 UVPG stellte der EuGH zu dem im deutschen Recht aus § 10 Abs. 4 S. 2 UVPG folgenden Erfordernis der Verbindung mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtung zur Herstellung eines die Kumulation (mit) bergründenden engen Zusammenhangs technischer und sonstiger Anlagen fest, dass dieses unionsrechtswidrig ist. In den Randnummern 31-34 heißt es hierzu wie folgt:

 

„Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich bei der Überprüfung, ob ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, die einer nationalen Behörde nach diesen Vorschriften obliegende Verpflichtung, die Auswirkungen zu prüfen, die das Projekt zusammen mit anderen haben könnte, mangels einer Präzisierung nicht allein auf gleichartige Projekte beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2015, Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C?531/13, EU:C:2015:79, Rn. 45).

 

Erst recht kann diese Verpflichtung nicht allein auf Projekte beschränkt werden, die mit gemeinsamen Einrichtungen verbunden sind. Daher kann, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Frage, ob mehrere Projekte zusammen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, nicht von einer Verbindung dieser Projekte mit solchen Einrichtungen abhängen.

 

Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 in Verbindung mit Anhang III Nr. 1 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. g dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Verpflichtung, die Auswirkungen zu prüfen, die ein Projekt gemeinsam mit anderen Projekten haben könnte, auf Fälle beschränkt ist, in denen die geplante Anlage und die anderen Projekte mit gemeinsamen Einrichtungen verbunden sind.“

 

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=271195&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

 

[Hervorhebung nicht im Original.]

 

Im Ergebnis kommt diese Entscheidung nicht überraschend und ist vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Normzwecks folgerichtig (vgl. hierzu: Arnold, in: Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Auflage (2023), § 10 Rn. 30 ff.), wenngleich das BVerwG zur Vorgängernorm des § 3b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UVPG a.F. feststellte, dass das seinerzeit gleichlautende Erfordernis unionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

 

Für laufende und kommende Genehmigungsverfahren sowie ggf. auch für noch anhängige Klageverfahren wird dieser Beschluss genau auszuwerten und insbesondere die jeweilige Konstellation daraufhin abzuprüfen sein, ob eine Verneinung des Vorliegens der Kumulationsvoraussetzungen durch eine Trennung der Anlagen dergestalt erreicht wurde, dass das Entstehen gemeinsamer betrieblicher oder baulicher Einrichtungen ausgeschlossen wurde (bspw. durch ein Wegziehen des Bauherrn von der elterlichen Hofstelle, um die verbindende Wirkung eines gemeinsam genutzten Betriebsleiterwohnhauses zu umgehen), wohingegen die weiteren Voraussetzungen (überschneidende Umwelteinwirkungen und funktional-wirtschaftliche Bezogenheit der Projekte aufeinander) vorlagen.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich an: Dr. Martin Arnold

21.07.2023 - Verwaltungsrecht

§ 13b BauGB ist mit Unionsrecht nicht vereinbar

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18. Juli 2023 entschieden, dass Freiflächen außerhalb des Regelungsbereichs einer Gemeinde nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b S. 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden dürfen.

 

Die Entscheidung bezieht sich auf ein Normenkontrollverfahren einer gemäß § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigung gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein ca. 3 ha großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar, seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Zur Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Pressemitteilung aus, der Plan leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Er sei zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL). Der nationale Gesetzgeber habe sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese müsse nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen seien. Der Gesetzgeber dürfe sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.

 

Diesem eindeutigen und strengen Maßstab werde § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollten, erlaube § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – seien nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gelte schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.

 

§ 13b BauGB dürfe daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin habe somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel habe die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 59/2023 vom 18. Juli 2023).

 

Für die Praxis ergeben sich aus dem Urteil vermutlich folgende Konsequenzen:

 

Laufende Verfahren nach § 13b BauGB müssen entweder eingestellt oder auf ein normales Verfahren mit Umweltbericht und Eingriffsausgleich umgestellt werden. Für Letzteres wird eine erneute Offenlage erforderlich sein.

 

In der Vergangenheit beschlossene Bebauungspläne nach § 13b BauGB dürften unwirksam sein. Für bereits bebaute Plangebiete führt dies in der Regel zur Anwendbarkeit von § 34 BauGB. Für die Bauvorhaben gelten dann nicht mehr die Festsetzungen des bisherigen Bebauungsplans. Möglicherweise können die bisherigen Festsetzungen durch einen neuen Bebauungsplan, dann beschlossen im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB und gestützt auf § 13a BauGB, ohne erneute Offenlage erneut in Kraft gesetzt werden, sofern dieser Bebauungsplan zu einer weiteren Innenentwicklung beiträgt, ansonsten durch einen Bebauungsplan im normalen Verfahren und mit Umweltbericht und Eingriffsausgleich.

 

Sind Gebäude im Plangebiet im Genehmigungsfreistellungsverfahren bereits fertiggestellt worden, werden sie in Bezug auf die später festgestellte Nichtigkeit des Bebauungsplans durch landesrechtliche Vorschriften geschützt (z. B. § 63 Abs. 7 BauO NRW, § 62 Abs. 11 S. 2 NBauO). Baumaßnahmen für Gebäude, die noch nicht fertiggestellt sind, sind dagegen formell und unter Umständen auch materiell illegal. Sie können – und müssen möglicherweise auch – von der Bauaufsicht unterbunden werden.

 

Sind Gebäude im Plangebiet dagegen durch eine Baugenehmigung zugelassen, so setzt sich in der Regel die Bestandskraft der Baugenehmigung durch. Die Baugenehmigung erweist sich im Nachhinein zwar objektiv als rechtswidrig, eine Rücknahme steht aber im Ermessen der Bauaufsicht. Angesichts der auszugleichenden Vermögensschäden bei Rücknahme der Baugenehmigung nach § 48 VwVfG wird das Ermessen in den meisten Fällen nicht auf Null reduziert sein, die Genehmigung zurückzunehmen.

 

Arbeiten der Gemeinde oder eines Vorhabenträgers zur Erschließung des Plangebiets dürfen vermutlich nicht mehr durchgeführt werden. Restarbeiten dürften auf der Grundlage von § 125 Abs. 2 BauGB möglich sein.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Olaf Bischopink oder Frau Elisabeth Willems.

 


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